Was ist Heraldik?
 

Die Heraldik, auch Wappenkunde genannt, ist eine historische Hilfswissenschaft. Sie erforscht den Gebrauch und die Regeln für Wappen über die Jahrhunderte.

‚Wahre Heraldik würde ich definieren als den systematischen Gebrauch von erblichen Emblemen, welche auf einem Schild platziert sind.’ (Sir Anthony Richard Wagner, Clarenceux King of Arms, 1956)


Was ist das Spannende an Wappen?

Sie sind seit 800 Jahren etablierte Identifikationsträger. Wappen werden assoziiert mit Souveränität, Würde und Tradition.

Das Zeitlose der Heraldik erlaubt es, auch in heutiger Zeit neue Wappen zu gestalten.


Wer darf heute ein Wappen führen?

Alle rechtsfähigen Personen dürfen ein Wappen führen. Zum einen natürliche Personen wie Max Mustermann, oder auch juristische Personen wie Unternehmen, Vereine, Verbände, Städte und Gemeinden etc.. 


Worin liegt die Kunst?

Bei der Gestaltung eines neuen Wappens sollte eine Überfrachtung mit Zeichen und Farben vermieden werden. Ein Symbol einfach und doch prägnant zu halten ist eine Kunst und steigert den Wiedererkennungswert.
Die Heraldik verfügt über einen reichen und bei strenger Anwendung bewährten Kanon an verfügbaren Elementen, der konsequent angewendet werden sollte. 


Woher kommen Wappen?

Aus dem mittelalterlichen Turnierwesen (siehe unten, Kapitel "Geschichte").
Mit die ersten Darstellungen von Heraldik finden wir auf sog. Reitersiegeln. Aus den Siegeln gewann die Heraldik ihre Rechtsbedeutung, die bis heute wirkt.


Was darf in ein Wappen?

Alles, was sich in einem vereinfachten Bild darstellen lässt, kann in ein Wappen gestellt werden: Alltägliche Gegenstände wie Werkzeuge, Boote oder Münzen sowie Pflanzen, Tiere und Gebäude. Diese können im Ganzen oder in Teilen abgebildet werden, so z.B. als halbes Rad, geteilter Adler oder Tierkopf.

Symbole wie Löwe, Adler, Rose, Lilie oder das Kreuz sind allgemeine heraldische Elemente und nicht durch ein copyright an ein bestimmtes Wappen gebunden. Dies gilt auch für Schildteilungen und zahlreiche andere abstrakte Figuren, die in der Heraldik unter dem Begriff „Heroldsstücke“ bekannt sind.


Aber: es gibt Regeln!

Allgemein gilt: Farben (rot, blau, grün, schwarz, purpur) und Metalle (gold/ gelb bzw. silber/ weiß) sollen einander ablösen, während Pelzwerke eine dritte Gruppe bilden. Gelegentlich wird bei der Darstellung von Menschen eine Fleischfarbe verwendet.


Wo finden Wappen heute Anwendung?

Im öffentlichen Bereich setzen z.B. Städte, Gemeinden und Gebietskörperschaften Wappen auf ihren Fahnen und Bannern ein, zudem als Schilder über Hauseingängen, als Siegel und auch auf Dokumenten und Briefpapier. Dementsprechend können das auch Privatpersonen tun.
Zur Kennzeichnung der Besitzverhältnisse wurden und werden Wappen auf allen möglichen Gegenständen angebracht. Das kann mitunter sehr dekorativ geschehen, so auf Siegelringen, Familienfahnen, Petschaften, Bildprägen, Stickereien, Ex libris etc..


Rechtlicher Hintergrund


Wappen ist im rechtlichen Sinne ein Kennzeichen; so unterliegt es den gleichen Paragraphen wie eine Firma im Sinne von Handelsnamen eines Kaufmanns (§17, §30 HGB) oder ein Warenzeichen (§5 Warenzeichengesetz). Für Familienwappen gilt der gleiche Schutz wie für den Familiennamen (§12 BGB).
Grundsatz ist, dass sich jedes Zeichen von einem anderen, schon bestehenden Zeichen gleicher Art hinreichend unterscheiden muss.

Wenn also zwei Personen ein identisches Wappen führen sollten und es kommt zum Rechtsstreit, dann ist es entscheidend, wer den Gebrauch dieses Wappens zu einem früheren Zeitpunkt nachweisen kann. Dies gilt nicht für historische Parallelen, die zufällig entstanden sind, z.B. durch räumlich oder zeitlich großen Unterschied.
Die Eintragung in einer Wappenrolle dient der Dokumentation über Annahme und Veröffentlichung eines Familienwappens und kann im Streitfall hilfreich sein. Da es jedoch über die Jahrhunderte Millionen von Wappen bereits gegeben hat, können diese Veröffentlichungen keine Garantie für einen urheberrechtlichen Schutz gegenüber älteren, bereits bestehenden Wappen geben.

Wer heute ein Wappen annimmt, sollte auf keinen Fall vorsätzlich oder leichtfertig ein vorhandenes Wappen kopieren, unabhängig davon, ob es ihm besonders gut gefällt oder zufällig mit dem gleichen Familiennamen verbunden ist. Wenn ein historisches Wappen zu einem Familiennamen existiert, ist der Gebrauch dieses Wappens nur dann rechtens, wenn sich eine direkte Ahnenfolge auf ein wappenführendes Mitglied der historischen Vorlage aufzeigen lässt. Hierbei gilt im deutschsprachigen Raum die Dominanz der männlichen Erbfolge. Das heißt, Wappen von Großmüttern und Urgroßmüttern, angeheirateten Großtanten oder Vettern weiteren Grades können nicht übernommen werden. Wappen solcher Personen können jedoch bei der Neustiftung eines Familienwappens Pate stehen und mit ihren Farben und Motiven Anregung oder Element für ein neues Wappen sein.


Geschichte: Ein kleiner Exkurs in die Entwicklung von Wappen

Ihr Ursprung liegt in der dekorativen Gestaltung von Schilden und Bannern zur Unterscheidung bestimmter Personen oder Gruppen. In der Frühzeit verändert sich dieses Erkennungszeichen oftmals zu jeder militärischen Begegnung oder es hält nur für eine Generation vor. Das Hauptcharakteristikum der Heraldik, sprich eines Wappens im Eigentlichen, besteht in seiner Individualität. Dennoch wird solch ein Zeichen erst dann zum Wappen, wenn es in seinem Gebrauch vererbt wird.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass im Herzen Europas die ersten Wappen um 1100 n.Chr. entstanden sind. Zentrum dieser „Mode“ war das heutige Frankreich. Die verschiedenen gestalterischen Elemente der Heraldik haben sich mit einem zeitlichen Versatz von ca. 20 bis 50 Jahren in den angelsächsischen und germanischen Raum verbreitet, mit 50 und mehr Jahren Richtung Schottland und über Deutschland hinaus (soweit bis dato nachvollzogen). Bis heute haben sich nationale Eigenheiten herausgebildet.

Schon vorher werden auf Schilden und Bannern individuelle Zeichen geführt. Jedoch können diese zu Lebzeiten des Trägers wechseln oder verlieren sich meistens mit dessen Ableben. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 13. Jahrhunderts nimmt die Zahl generationsübergreifend benützter Motive zu. Eine Erblichkeit im Gebrauch dieser Motive entsteht.

Die Gestaltung der Wappen ist zunächst einfach gehalten, d. h. es werden strenge geometrische Teilungen oder einfache Figuren auf dem Schild angebracht. Ein Beispiel dafür sind weißblaue Rauten (Grafen von Bogen/ Wittelsbacher/ Bayern) oder ein goldener Löwe in schwarzem Feld (Kurfürsten und Pfalzgrafen bei Rhein/ Wittelsbacher/ Bayern). Später werden die Wappen komplexer, wie sich am Schilde des dänischen Königreichs zeigt, das drei blaue schreitende Löwen in goldenem Feld zwischen neun roten Herzen zeigt.

Es gibt zwei Arten von Elementen bei der Gestaltung von Wappen. Zum einen abstrakte geometrische Figuren oder auch Schildteilungslinien wie die genannten Rauten, zum anderen abstrahierte reale Figuren wie den beschriebenen Löwen. Die ersten nennt man Heroldsbilder, die zweiten gemeine Figuren. Sie können einzeln oder auch gemeinsam in einem Schild Verwendung finden. Insgesamt ermöglicht das Regelwerk der Heraldik eine Vielzahl von Kombinationen, wodurch solch ein Wappen sehr individuell wird.

Allgemein und auch in der Mehrheit der Literatur wird über die Ursprünge der Wappen ihre starke Unterscheidungskraft als ein Erkennungsmerkmal genannt. Diese Aussage ist richtig. Hingegen hält sich bis heute das Gerücht, dass diese Unterscheidung für das Schlachtfeld wichtig gewesen sei. Dem ist jedoch nicht so. Diese ausgeprägte Individualität, die den Wappen zugeordnet ist, widerspricht der Vorstellung von zwei Horden anonymer Kämpfer, die aufeinanderprallen. In diesem Chaos wird es den meisten untergeordneten Rängen nicht möglich sein, die Vielzahl von eigenen befreundeten Rittern und den Rittern der Gegner zu unterscheiden.

Bei Turnierkämpfen, wo einzelne Ritter – ebenfalls in sie unkenntlich machender Rüstung – regelmäßig gegeneinander antreten, ist der hohe Wiedererkennungswert eines Wappens von Nutzen. Im Rahmen dieses eher sportlichen Ereignisses ist der Ritter eine Einpersonenmannschaft, eine one man show, die ihre Fangemeinde hat. Aus diesem sozial prestigeträchtigen und sehr öffentlichen Ereignis heraus wird die Assoziation zwischen Individuum und Wappen verstärkt. Schild und Banner sind bekannt, sie werden im Umfeld gerne präsentiert und wandern so in das öffentliche Bewusstsein dieser Zeit.

Mit die ersten Darstellungen von Heraldik finden wir auf sog. Reitersiegeln. Hier zeigt sich der Herr oder Ritter zu Pferde in voller Rüstung mit einem Banner an seiner Lanze. Im Lauf der Zeit verliert sich die Personaldarstellung und reduziert sich auf die abstrakte Präsentation in Form des Wappens. Die Kennzeichnung wichtiger Rechtsdokumente und des persönlichen Besitzes mit dem Wappenbild, statt einer Unterschrift oder gar einem Portrait des Eigentümers, trägt den Gebrauch der Heraldik in die Zivilgesellschaft und begründet ihr Fortbestehen über die militärische Entwicklung und das Turnierwesen bis in die heutige Zeit.

Auch heute noch ist in unserem Staat der Bundesadler ein Begriff, ebenfalls ist das Wappen des eigenen Bundeslandes und des Heimatortes bekannt. Vor Ort lebende alteingesessene Adelsfamilien sind vielen ihrer Nachbarn nicht persönlich bekannt, ihr Wappen hingegen schon. Dennoch ist der Gebrauch von Wappen schon seit dem Mittelalter auch den einfachen Bürgern dokumentiert.

Die Führung von Wappen ist entgegen aller Vorurteile nicht ein stets aristokratisches Privileg, sondern eher der Ausdruck eines Selbstbewusstseins und Gemeinsinns einer Familie und ihres Oberhauptes. Beleg hierfür sind zahlreiche Wappendarstellungen bürgerlicher Stifter in Kirchen, an Altären und ihren Grabsteinen. Die Rechtsfähigkeit einer Person ist somit wichtiger als ihre Abstammung. Ergo sind inzwischen nach gültigem Recht alle Bürger unseres Staates berechtigt, ein Wappen zu führen.

(Harald Berghoff)